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Ein Wort zuvor
Werner Fritschi, Publizist


Ich lernte Walter Meier zuerst indirekt kennen; über die Zeitung und die «Affäre Luzerner Jugendheim Schachen» - wie es im vorliegenden Buch berichtet wird. Eines Tages - ich war gerade nicht im Büro - fand ich auf meinem Schreibtisch einen ziemlich dicken Ordner sowie ein lieblich gebasteltes Vogelnest, auf dessen Rand ein bunter Vogel, wie vom Weihnachtsbaum hergeflogen, neckisch sass. Die Assoziation zu «Nestbeschmutzer» kam mir aber erst bei der näheren Durchsicht der reichhaltigen Dokumentation.

Bei der ersten Begegnung mit Walti wurde mir sofort klar: Hier spricht ein völlig integrer Mann aus einer tiefen Kränkung heraus. Zwar liess er keine Bitterkeit spüren, aber - so ging es mir durch den Kopf - sein Humor grenzt bisweilen ans Zynische. Und wer so daherredet, dahinter versteckt sich meist ein gekränkter Idealist.
Ich war nicht dabei im Jugendheim Schachen; ich kenne nur die eine Seite. Gegen Meiers Logik und Verhalten gibt es zweifelsohne Einwände„. Aber dass so wenig Spielraum blieb für eine flexible und menschliche Konfliktlösung, muss einen erschrecken. Vielleicht war es Sturheit auf beiden Seiten, weshalb sich die Spirale immer weiter drehte. Gerade deshalb ist es ein Lehrstück für viele Berufe, Branchen oder Ebenen - in einer Zeit der Strukturanpassungen, der pointierten Sparmassnahmen und des effizienten lösungsorientierten Handelns -, was immer dies heissen mag.

Was wäre aus diesem Vorfall zu lernen? Da kämpft ein Mensch um sein subjektives Recht, einer, dem man fachlich und menschlich noch immer beste Noten erteilt. Er erreicht bei den Widerwärtigkeiten und Beziehungsstörungen und Fehlentscheiden einen Punkt, wo er nicht mehr mitgehen, sich nicht mehr weiter anpassen kann, ohne sich zu verleugnen. Er will seine Selbstachtung nicht verlieren. Also leistet er Widerstand - sozialkritisch, pädagogisch, geistig. Es beginnt ein Teufelskreis von Druck und Gegendruck.

Aber für die, die an den Hebeln der institutionellen Macht sind, wird es ab einem bestimmten Moment einfach: Weg mit unbequemen Leuten! Aufräumen mit Hirngespinsten! Sauberen Tisch machen mit Querulanten! Die Organigramme sind ja klar - auf dem Papier.

Walter Meier hat ein Schulbeispiel dokumentiert. Hier geht es vorwiegend um sozial-pädagogische Dimensionen, vordergründig um Strukturen, hintergründig um das «Wohl der Kinder». Andernorts mag es um andere strittige Wertfragen gehen. Ähnlich bleibt sich die oft nur halbbewusste Grenzlinie, wenn jemand sich eingestehen muss: Da kann ich nicht mehr mitmachen, nicht mehr schweigen. Ich kann nicht hinter meine Erkenntnisse zurück. Alles was recht ist! Ich bin letztlich meinem Gewissen verpflichtet. Ich will mich noch im Spiegel anschauen können. Jetzt nehme ich den Kampf auf - auch wenn ich möglicherweise zur Verliererseite gehöre ...

Solche Fragen werden in einer Welt der Globalisierung und der schweigenden Mehrheiten immer bedrängender. Der Erzieher Walter Meier hat mit seinem Beispiel von Zivilcourage uns etwas vorgelebt.

Werner Fritschi, Publizist

Luzern, Dreikönigsfest 1998

Das Buch

Ein Dokument, wie in einem morschen Betrieb mit unbequemen Leuten umgegangen wird. Meier beschreibt den täglichen Abnützungskampf. In lebendigen Bildern und starken Symbolen wird die Konfliktsituation eigenwillig beschrieben. Der Leser, die Leserin verspürt den wachsenden Unmut, die einäugige Aufsichtskommission, die innere Lähmung, den aussichtslosen Widerstand eines Querdenkers.

Was soll man tun, wenn hochtrabende Begriffe als Deckmantel benutzt werden zu persönlichen Eigeninteressen? Meiers höchste Instanz bleibt sein Gewissen. Dementsprechend verhält er sich. «Strukturen sollten doch im Dienste der Menschen stehen, nicht umgekehrt».

Werner Fritschi, Luzern, Herausgeber